Klara und die 24 Weihnachtsmäuse
aus einem Buch von Ingrid Biermann

In einem dichten Tannenwald wohnt die graue Maus Klara. Sie ist eine stolze Mäusemutter von vielen kleinen, grauen, lebhaften Mäusekindern. Die Kleinen strolchen von früh bis spät im Wald herum und Klara muss den ganzen Tag ihre Augen offen halten und ihre Ohren spitzen, um ihre Kinder vor den Gefahren des Waldes zu schützen. Das ist oft eine sehr anstrengende Arbeit, denn auf so viele Kinder aufzupassen, ist gar nicht einfach. Wenn das Wetter mal sehr schlecht ist, bleiben die Kleinen zu Hause und basteln, backen oder singen gemeinsam mit Klara, denn niemand will dann hinaus in den nassen und kalten Wald. Dabei entdeckt Klara, dass ihre vielen Kinder besondere Talente haben. So können einige von ihnen sehr gut raten und reimen, andere sehr gut singen und wieder andere sehr gut Geschichten erzählen. Im Wald wohnt aber nicht nur Klara mit ihren zappeligen Mäusekindern, sondern auch ihre Freundin, die Glitzerfee. Das ganze Jahr über sieht niemand etwas von ihr. Nur in der Vorweihnachtszeit verzaubert sie mit hauchdünnen, glitzernden Fäden und zartem Glitzerpuder den Wald und schenkt ihm so ein geheimnisvolles Kleid.

Abends, wenn die Mäusekinder schlafen, besucht Klara oft die Glitzerfee. Dann bleibt ihr alter Freund, der Maulwurf Buddel, bei den Kleinen. Er wohnt im Gang nebenan und so kann er jederzeit, wenn Klara aus dem Haus ist, schnell rüberkommen und aufpassen. Die Glitzerfee wohnt hoch oben in der Krone eines alten, dicken Baumes. Niemand außer Klara kennt sie und niemand kann sie sehen, denn keiner hat so gute Ohren und Augen wie Klara. Die beiden sitzen oft zusammen und Klara erzählt von ihren kribbeligen und unruhigen Mäusekindern und davon, dass sie die Kinder jeden Abend, bevor sie ins Bett gehen, abzählen muss. Nur so kann sie feststellen, ob auch alle wieder zu Hause sind. Dabei muss Klara gut aufpassen, denn ihre Kleinen sind so zappelig, dass sie beim Zählen schnell ein Mäusekind übersieht. Wenn sie es endlich geschafft hat und ihre große Kinderschar im Bett ist, dann erzählt Klara ihnen noch eine Gute-Nacht-Geschichte Weihnachtsmaeuse oder singt mit ihnen ein Lied. Klara erzählt der Glitzerfee aber auch, dass ihre Kinder besondere Talente haben und dass sie darauf sehr stolz ist.

Auch die Glitzerfee berichtet jeden Abend etwas Neues. Sie erzählt Klara von den Menschenkindern, die im Dorf hinter dem Wald wohnen. Manchmal schwebt sie abends leise durch dieses Dorf und schaut in die Fenster. Vor einigen Fenstern bleibt sie lange sitzen und schaut besonders interessiert den kleinen Menschenkindern beim Spielen zu. Dabei stellt sie fest, dass auch sie sehr zappelig und unruhig sind, genauso wie die Mäusekinder. Jetzt, in den Tagen vor Weihnachten, sind die Menschenkinder jedoch besonders unruhig und zappelig. Sie springen und toben durch das Haus und können gar nicht still sein. Das macht die Glitzerfee ein wenig traurig, denn wenn die Menschenkinder so unruhig bleiben, dann können sie gar kein ruhiges Weihnachtsfest feiern. Auf dem Heimweg denkt Klara oft an das, was ihr die Glitzerfee über die Menschenkinder erzählt hat.

Die Tage und Nächte im Wald vergehen und es wird immer kälter. Klara kann ihre Mäusekinder mit dem dünnen Fell jetzt nur noch ganz selten nach draußen lassen. So singen und spielen sie zusammen in den Gängen unter der Erde. Doch die Mäusekinder werden täglich größer und die Wohnung wird immer enger. Klara denkt oft an den Tag, an dem sie ihre Kinder in die Welt hinausschicken muss, damit sie ihr eigenes Leben leben. Doch bis dahin vergehen noch viele Tage und Klara genießt die Zeit mit ihren Kindern.

Wenn Klara jetzt in den kalten Wintertagen zur Glitzerfee geht dann friert auch sie. Eines Abends fällt der erste Schnee auf die Erde und Klara kommt durchgefroren und sehr erschöpft bei ihrer Freundin an. Auch an diesem Abend erzählt Klara von ihren unruhigen und zappeligen Kindern, aber auch davon, wie sie heute zusammen gesungen, gebacken und viel gelacht haben. Die Glitzerfeee hört sich alles gut an. Auf einmal merkt Klara, dass ihre Freundin sehr traurig aussieht. Nachdem Klara alles von ihren Mäusekindern erzählt hat, erzählt auch die Glitzerfee wieder von den kleinen, zappeligen Menschenkindern und davon, dass es mit ihnen von Tag zu Tag schlimmer wird. Klara und die Glitzerfee sitzen in dieser Nacht sehr lange stumm da und überlegen, wie sie den Menschenkindern helfen können, ihre Ruhe wiederzufinden. Klara spitzt dabei ihre Ohren und bekommt ganz viele Falten auf die Stirn, so angestrengt denkt sie nach. Plötzlich strahlt sie und sagt: "Ich muss meine Mäusekinder doch sowieso bald in die Welt hinausschicken. Die Mäusewohnung wird für alle viel zu klein. Dann können sie doch jetzt schon zu den Menschenkindern gehen und mit ihnen singen, ihnen Geschichten erzählen oder mit ihnen träumen. Vielleicht gelingt es meinen Kindern, den Menschenkindern bis zum Weihnachtsfest ein bisschen Ruhe zurückzubringen." Doch kaum hat Klara das gesagt, macht sie ein nachdenkliches Gesicht und wispert:

"Ach, es ist ja draußen viel zu kalt und meine kleinen Mäuse haben ein viel zu dünnes Fell. Ich kann sie so nicht ins Dorf schicken. Sie werden erfrieren. Ich glaube, meine Idee war doch nicht so gut." Die Glitzerfee schmunzelt und sagt: "Weißt du denn nicht, dass Feen immer eine Lösung für alle Probleme finden? Hör gut zu. Ich kann, wie alle Feen, zaubern. Ich werde deinen kleinen grauen Mäusen ein besonderes Fell zaubern, in dem sie nicht frieren und das sie so in ganz besondere Weihnachtsmäuse verwandelt. Die Mäusekinder, die gut singen können, bekommen ein rotes Fell, die, die besonders gute Geschichten erzählen können, bekommen ein blaues Fell und diejenigen, die die Menschenkinder mit etwas Besonderem überraschen, bekommen ein grünes Fell. Deine kleinsten fünf Mäusekinder bekommen, weil sie dir besonders ähnlich sind, ein wunderschönes leuchtend gelbes Fell. Jeden Tag soll dann eines deiner Mäusekinder in eine Familie gehen und dort mit den kleinen Menschenkindern raten, singen und spielen, um sie so auf das Weihnachtsfest einzustimmen." Klara macht immer noch ein etwas nachdenkliches Gesicht und sagt: "Bestimmt will jede Maus, sogar meine fünfkleinsten Mäusekinder, die Erste sein, und ich weiß nicht, in welcher Reihenfolge ich sie gehen lassen soll." "Auch dafür gibt es eine Lösung", sagt die Fee. "Mach dich nun in Ruhe auf den Heimweg und wenn du zu Hause bist, wirst du sehen, dass sich alle deine Probleme gelöst haben. Aber besuche mich bitte bald wieder und erzähle mir, was du in der Zwischenzeit im Wald erlebt hast." Klara bedankt sich bei ihrer Freundin und trippelt durch den tiefen Schnee nach Hause zurück. Auf dem Heimweg friert sie gar nicht mehr so sehr wie sonst. Zu Hause angekommen, läuft sie sofort zu ihren Kindern. Sie glaubt zu träumen! Blaue, grüne, rote und fünf gelbe Mäuse liegen, mit einer Zahl auf dem Rücken, im Bett und schlafen. Auch ihr Freund Buddel ist eingeschlafen. Klara weckt ihn und erzählt ihm leise, was sie erlebt hat. Buddel kann diese Geschichte kaum glauben. Doch als er die bunten Mäuse sieht, weiß er, dass Klara ihm kein Märchen erzählt hat. Noch ganz verwirrt geht er zurück in seine Höhle. Auch Klara ist müde. Sie legt sich neben ihre Kinder und schläft sofort ein. Als die Mäusekinder am nächsten Morgen aufwachen sind sie ganz überrascht. Was ist mit ihnen in dieser Nacht passiert? Warum haben sie ein buntes Fell mit einer Nummer auf dem Rücken?

Klara erzählt was geschehen ist und sagt: "Meine Freundin die Glitzerfee hat aus euch Weihnachtsmäuse gemacht. Jeden Tag geht eine von euch zu den Menschenkindern, um ihnen mit Liedern, Spielen, Geschichten und vielen anderen Dingen das lange Warten auf Weihnachten zu verkürzen." Jetzt erst bemerkt Klara, dass auch ihr Fell, so wie es die Glitzerfee gesagt hat, gelb ist. Nun ist auch sie eine Weihnachtsmaus! Klara und ihre Kinder freuen sich auf die jetzt beginnende schöne Vorweihnachtszeit, vor allem freuen sie sich darauf, die kleinen Menschenkinder zu begleiten. Klara ist stolz auf ihre Kinder, denn sie weiß, nur besondere Mäusekinder, so wie ihre, dürfen Weihnachtsmäuse sein. Von nun an verabschiedet sie sich täglich von einem ihrer Kinder. Damit ihren Mäusekindern auf dem Weg zu der Menschenkindern nichts geschieht und sie ins Dorf finden, stellt sie jeden Tag für jedes Kind eine Duftkerze im Wald auf. So wird im Nu aus dem farblosen Winterwald ein duftender Glitzerwald.