Geschrieben nach einem Posting
vom 25.07.2001 auf der sozialarbeit mailingliste von Norbert Platzdasch

Hintergrund des Postings von Norbert war eine Anfrage: "Da sich meine Soziale Phobie hauptsächlich in Redeangst niederschlägt (und hierbei im speziellen vor einer Gruppe) sind jedoch Teamsitzungen und ähnliches nur schwer für mich zu ertragen. Mein Traumjob wäre bei genauerer Überlegung Leuchtturmwärter. (...) Die Fragestellung wäre nun, welches Feld der Sozialarbeit (ist schließlich ein weites) wäre unter diesen Gesichtspunkten am ehesten für mich geeignet [und somit meinem Traumjob Leuchtturmwärter am ähnlichsten ;-)]."

Von Bademeistern, Sozialarbeitern ... und Leuchtturmwärtern

Am liebsten wäre ich Bademeister geworden, und nun bin ich doch schon seit langer Zeit und mit Erfolg (?) Sozialarbeiter.

Bademeister - diese Einsicht verfolgt mich schon von Kindesbeinen an - müssen alles mögliche können, nur nicht schwimmen, was man wohl naiverweise als Hauptsache dieses Berufes annehmen könnte. Also: Bademeister müssen Rasenmähen, einen Kiosk bedienen, die Umwälzanlage beherrschen, Erste Hilfe bieten, die Kids vom DLRG kommandieren usw.

Und das fasziniert mich: Etwas sein zu können, was ich nicht bin und etwas tun zu können, was ich nicht kann.

Tatsächlich soll es schon mal vorgekommen sein, dass ein Bademeister, der in Pension ging, alle Sekundärqualifikationen eines Bademeisters so hervorragend beherrschte, dass man ihn anlässlich seiner Abschiedsfeier ins Schwimmbecken warf, wo er jämmerlich ertrank, weil man ihm selbstverständlich zuschrieb, dass er auch hervorragend schwimmen könne. Dem war leider nicht so.

Im Laufe meines Berufslebens sind mir dann sehr viele Bademeister begegnet, die man mit den besten Primärqualifikationen eines Sozialarbeiters ausstattete. Und so sind sie sehr erfolgreiche Sozialarbeiter und angesehene Vorgesetzte und Fachautoritäten geworden, ohne diesen Beruf jemals erlernt oder eine originäre sozialarbeiterische Tätigkeit jemals tatsächlich ernsthaft und verbindlich ausgeübt zu haben.

Ich möchte mir Mut machen, denn vielleicht habe ich wirklich eine echte Chance: Vielleicht bin ich als Sozialarbeiter ein ebenso hervorragender und glücklicher Leuchtturmwärter, wie sich einige Bademeister als zufriedene Sozialarbeiter fühlen. Obendrein könnte das, was man landläufig als die hervorragende sozialarbeiterische Qualifikation ansieht, nämlich kommunikative Kompetenz, in Wirklichkeit für diesen Beruf nur eine Fiktion, oder viel schlimmer noch, ein Hindernis für echte Professionalität sein.

Ich lasse mich von meinen diversen Handicaps nicht mehr total beeindrucken und an exotische Ränder dieses Berufes drängen! Schließlich habe ich ja noch die Option, dass ich unter den vielen Bademeistern, die sich am Sozialstrand tummeln, einer von denjenigen sein könnte, die wenigstens eine echte Basis haben. - Aber das müssen andere beurteilen!